Volkstrauertag 2022

Am Sonntag, 13. November, legten Vertreter von Vereinen und Intuitionen wieder am Ehrenfriedhof Kränze nieder.
Ortsvorsteher Simon Lübben  und Pastorin Karola Wehmeier hielten die Ansprachen.
Den vollständigen Text der Rede von Simon Lübben und die Antikriegslyrik , für alle die nicht dabei sein konnten,  finden Sie nachfolgend:

Rede zum Volkstrauertag 2022

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,

Im Laufe der Jahre wurde festgelegt, dass dieser Gedenktag zwei Wochen vor dem ersten Adventwochenende gehalten werden soll.
Deshalb finden wir uns auch in diesem Jahr hier wieder am Carolinensieler Ehrenmal ein, um an diesem stillen Tag den Kriegsopfern der Vergangenheit zu gedenken.

Aber nicht nur den Opfern der vergangenen Kriege mit seinen gefallenen Soldaten und allen Kriegstoten wollen wir heute gedenken, sondern auch den Toten der aktuellen Konfliktherde in der Welt und in besonderer Weise steht in diesem Jahr, der im Februar begonnene Überfall Russlands auf die Ukraine und dem damit erneuten Bruch des Völkerechts und allen damit verbundenen Regeln der Nachkriegsordnung in Europa, seit der Annexion der Krim in 2014.

Im Jahr 2022 müssen wir Bilder aus der Ukraine sehen, von denen wir gehofft hatten, dass sie sich gerade auf unserem Kontinent niemals wiederholen: Menschen, die vor Bomben in U-Bahnschächte fliehen, die sich an der Grenze von ihren Familien trennen oder gar für immer Abschied nehmen müssen an langen, frisch ausgehobenen Grabreihen.

Wir sehen, was die Menschen erleiden müssen nach dem skrupellosen
Überfall Russlands, für den Präsident Putin und die russische Regierung die politische Verantwortung trägt.

Wir sehen, wozu Menschen in diesem Ausnahmezustand fähig sind – im Guten wie im Schlechten: Flüchtlingskonvois unter gezieltem Beschuss, geplünderte und zerstörte Städte und grausame Massaker an Zivilisten, aber auch erbitterter Widerstand von ukrainischen Soldaten, mutiger Protest von Zivilisten gegen Panzer und eine immense internationale Hilfsbereitschaft.

All diese Schrecken des Krieges finden im Herzen Europas statt. Von Berlin bis zur ukrainischen Grenze ist es genauso weit wie von Berlin nach Brüssel. Die Bilder erinnern mich stark an zerstörte Städte in Europa im Jahr 1945.

Mit diesem brutal angegriffenen Land und seinen Menschen trennt und verbindet uns vieles: eine gewaltvolle Vergangenheit, aber auch die Fundamente einer gemeinsamen Kultur und der Wille zur demokratischen Selbstbestimmung für eine friedliche Zukunft.

Wir leben in einer Welt voller Krieg. Auch wenn in Deutschland kein Krieg ist, sind wir doch alle stets aufs Neue betroffen was in der Welt passiert. Zahlreiche hilfesuchende Menschen aus der Ukraine, der arabischen und afrikanischen Welt sind auf dem Weg nach Deutschland und benötigen Unterstützung und Unterkunft. Sie werden in ihrem eigenen Land verfolgt, gehetzt und misshandelt.
Sie haben Familienmitglieder, Freunde und Bekannte verloren, genau wie wir in unseren Familien Kameraden, Soldaten, Angehörige in den zwei schrecklichsten Weltkriegen seit Menschengedenken.

Es ist keine Besserung in Sicht, im Gegenteil.
Die Statistik der Konflikte in der Welt ist in den letzten sieben Jahren drastisch gestiegen.

John F. Kennedy hat einmal gesagt:
„Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen, oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende.“

Das meine sehr verehrten Zuhörerinnen und Zuhörer, ist eine kurze prägnante
Aussage, die die Problematik auf den Punkt bringt.

Wir Menschen sind für die Kriege und Konflikte verantwortlich und nur wir können kriegerische Auseinandersetzungen von Despoten verhindern und Konflikte wieder schlichten.

Wir können Frieden und Freiheit nur bewahren, wenn wir aktiv für einen
Frieden in Freiheit eintreten. Das gilt in der großen Perspektive der Weltpolitik genauso wie im kleinen Rahmen unseres täglichen Lebens, auch in der Kommunalpolitik.

in unserer Nationalhymne heißt es nicht um sonst:

„Einigkeit und Recht und Freiheit
für das deutsche Vaterland!
Danach lasst uns alle streben
brüderlich mit Herz und Hand!“

Wir alle sind verantwortlich dafür, dass Einigkeit in Deutschland herrscht.
Dass das Recht die Freiheit, unsere individuelle Freiheit garantiert.

Wir Alle sind die Garanten einer aktiven und wehrhaften Demokratie!

Wir Alle sind mit unserer Zivilcourage aktive Kriegsverhinderer!

Das soll und muss auch so bleiben.

In unser aller Namen spreche ich nun das Totengedenken:
Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg,
an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.

Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben,
der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in
Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben
verloren.

Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil
sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse
zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder
deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als
lebensunwert bezeichnet wurde.

Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie
Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und
derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung
oder an ihrem Glauben festhielten.

Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege
unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und
politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten
und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz
ihr Leben verloren.

Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass
und Gewalt Opfer geworden sind.

Wir gedenken der Opfer von Terrorismus und Extremismus, Antisemitismus und Rassismus in unserem Land.

Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten,
und teilen ihren Schmerz.

Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung
auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern,
und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den
Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.



Einleitungsgedicht zum Volktrauertag 13.11.2022
ich kenne keinen Krieg
ich kenne nur Geschichtsbuchkapitel
mit Schaubildern und einem spannenden Titel,
mit Fakten und Daten und Zahlen und Quoten:
Erster Weltkrieg, 1914–1918, mit 17 Millionen und
zweiter Weltkrieg, 1939–1945, mit über 60 Millionen Toten.

ich kenne keinen Krieg
ich kenne nur Abendessen Anekdoten
am Tisch ist schwerwiegendes schweigen geboten
wenn Opa uns wieder von damals erzählt:
Wir hatten Hunger und hatten kein Geld.
Wir stahlen gefrorene Kartoffeln vom Feld.

ich kenne keinen Krieg
ich kenne nur Nachrichtenbilder
Explosionen in Städten und weinende Kinder,
daneben der Sprecher, der sachlich erklärt:
Am 6. Tag der Invasion in der Ukraine haben
die russischen Truppen ihre Angriffe verstärkt.

ich kenne keinen Krieg
ich kenne nur Frieden
ich musste nie fliehen, bin immer geblieben.
ich hatte nie Hunger, bin immer schon satt.
ich musste nie schießen, weil man‘s mir befohlen hat.

ich kann seine Schrecken nur benennen,
doch andere müssen den Krieg durchleben.
ich wünschte, ich wär‘ nicht so machtlos dagegen.
ich wünschte, ein jeder würd‘ ihn wie ich
nur noch vom Hörensagen kennen.

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