Goodbye, HERMANN HELMS!

Seenotrettungskreuzer geht nach 32 Einsatzjahren außer Dienst – Öffentliche Taufe des Nachfolgers am 10. Juni im Cuxhavener Fährhafen

8./9. November 1989: Nach der Kollision der England-Fähre mit einem Containerfrachter klafft ein großes Loch in der Bordwand der „Hamburg“. (Foto: DGzRS – Die Seenotretter)

Auf einer der einsatzreichsten Stationen der Seenotretter an Nord- und Ostsee geht eine Ära zu Ende: 32 Jahre lang sorgte der Seenotrettungskreuzer HERMANN HELMS für Sicherheit in der viel befahrenen Elbmündung. Nun stationiert die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) einen hochmodernen Nachfolger an einer der am stärksten frequentierten Seeschifffahrtsstraßen der Welt mit rund 100.000 Schiffsbewegungen pro Jahr. Zur Taufe am Samstag, 10. Juni 2017, sind alle Freunde und Förderer der Seenotretter herzlich willkommen.

Noch trägt der 28-Meter-Neubau lediglich eine Nummer: SK 37. Zwei zusammen fast 4.000 PS starke Maschinen werden den äußerst seetüchtigen Selbstaufrichter auf 24 Knoten (45 km/h) beschleunigen. An Bord sind modernste Kommunikations- und Navigationsmittel, Feuerlösch- und Fremdlenzeinrichtungen.

In der gezeitengeprägten, navigatorisch anspruchsvollen Elbmündung trifft sich der Verkehr nach Hamburg und zum Nord-Ostsee-Kanal. Das Scharhörnriff und die Untiefe Großer Vogelsand sind seit alters her bekannt als Schiffsfriedhöfe. Aus dem Mahlsand der Nordsee konnten viele Schiffe nicht mehr befreit werden. Noch heute sind einige Wracks sichtbar und künden als stumme Mahnmale von den Gefahren.

Das Einsatzspektrum der Cuxhavener Seenotretter ist breit gefächert: Es umfasst alle denkbaren Notfälle auf See – vom Ozeanriesen bis zum Wattwanderer. Mehr 2.500 Einsätze und mehrere tausend Kontrollfahrten legte die HERMANN HELMS seit ihrer Indienststellung 1985 zurück. Gemessen an den gefahrenen Seemeilen umrundete sie zwei Mal die Erde.

Vormann Holger Wolpers und seine acht fest angestellten Kollegen sind Jahr für Jahr zwischen 80 und 100 Mal im Einsatz. Jeweils vier Mann sind in 14-tägigen Törns an Bord, außerdem gehören neun Freiwillige zur Station.

Cuxhaven gehört zu den ältesten Stationen der Seenotretter. Bereits 1866 gab es dort das erste Ruderrettungsboot. Stets sicherten besonders leistungsfähige Rettungseinheiten die Elbmündung, darunter ab 1914 eines der ersten deutschen Motorrettungsboote CARL LAEISZ, später das Doppelschrauben-Motorrettungsboot RICHARD C. KROGMANN sowie schließlich die Seenotrettungskreuzer RUHR-STAHL, ARWED EMMINGHAUS, HERMANN HELMS und nun SK 37.

Den endgültigen Namen von SK 37 geben die Seenotretter entsprechend ihrer Tradition erst bei der Taufe am Samstag, 10. Juni 2017, 15 Uhr, bekannt. Dazu erwarten sie Hunderte Zuschauern, von Freunden und Förderern. Das Rahmenprogramm beginnt bereits um 11 Uhr. Es ist zugleich die Gelegenheit, Abschied zu nehmen von einem der bekanntesten Seenotrettungskreuzer. Anschließend wird die HERMANN HELMS verkauft. Thank you, farewell and goodbye!

Aus dem Logbuch der HERMAN HELMS

  1. Januar 1986: Innerhalb von zehn Tagen kommt es auf der Unterelbe vor Cuxhaven zu drei Kollisionen. Unter anderem stoßen im dichten Nebel die Frachter „Beatrines“ und „Orange  Coral“ zusammen. Die vierköpfige Besatzung der „Beatrines“ schafft es gerade noch in die Rettungsinsel: Binnen zwei Minuten nach der Kollision sinkt das Küstenmotorschiff. Die HERMANN HELMS rettet die Schiffbrüchigen.
  2. Oktober 1987: Mehr als zwölf Stunden lang sind die HERMANN HELMS und WILHELM KAISEN für den brennenden Frachter „Cometa“ im Einsatz. Die „Cometa“ hat Feuerwerkskörper und Styropor geladen. Die Seenotrettungskreuzer kühlen die Bordwand und bringen Feuerwehrleute an Bord. Schlepper nehmen die „Cometa“ zur Brandbekämpfung in einem Hafen auf den Haken.

8./9. November 1989: Während in Berlin Weltgeschichte geschrieben wird, stoßen auf der Nordsee die England-Fähre „Hamburg“ und der Containerfrachter „Nordic Stream“ zusammen. Drei Menschen kommen ums Leben. Die SEENOTLEITUNG BREMEN koordiniert den Einsatz von SAR-Hubschraubern, die 20 Verletzte ausfliegen. Die HERMANN HELMS leuchtet den Unfallort aus und begleitet die schwer beschädigte Fähre nach Bremerhaven.

  1. Dezember 1991: Seewärts laufend kollidieren auf der Unterelbe der Frachter „Merlin“ und der Tanker „Esso Parentis“. Neun Schiffbrüchige gehen von Bord. Fünf nimmt die HERMANN HELMS aus einem Rettungsfloß auf, die anderen vier übernehmen die Seenotretter von dem Tanker, der sofort Rettungsmaßnahmen ergriffen hatte. Die „Merlin“ hat schwere Schlagseite. Die HERMANN HELMS begleitet sie am Haken eines Schleppers nach Cuxhaven.
  2. Juli 1991: Zwei historische Fischauktionshallen in Cuxhaven stehen in Flammen. HERMANN HELMS und WILHELM KAISEN legen aus rund 40.000 Liter pro Minute einen Wasserteppich über die Gebäude. Doch die denkmalgeschützten Hallen brennen bis auf die Grundmauern nieder.
  3. Juli 1991: Auf Scharhörnriff strandet eine Segelyacht und liegt mit Schlagseite in der starken Brandung. Das Tochterboot BIENE nähert sich und wird mehrmals hart gegen die Bordwand geschleudert. Eine Seglerin stürzt dabei über Bord. Ein Seenotretter setzt nach und kann sie aus der starken Brandung retten. Alle vier Segler gelangen glücklich auf die HERMANN HELMS.
  4. September 1995: In der Elbmündung gerät das Küstenmotorschiff „Swantje“ in Brand. An Bord sind der Kapitän, ein Decksmann und zwei Bordhunde. Der Getreidefrachter droht, auf den Großen Vogelsand zu treiben. Bei starkem Seegang wird die Besatzung abgeborgen. Gemeinsam mit der WILHELM KAISEN kühlt die HERMANN HELMS den Rumpf und bewahrt so die wertvolle Ladung vor größerem Schaden. Aufbauten und Maschinenraum brennen aus.
  5. November 1996: Wassereinbruch auf dem Küstenmotorschiff „Mathias“ unweit des Großen Vogelsandes. Als die HERMANN HELMS am Unfallort eintrifft, schwimmen nur noch Wrackteile, Lukendeckel und Leinen auf dem Wasser. Der Kapitän der „Mathias“ klammert sich im acht Grad kalten Nordseewasser am Tampen eines Fischkutters fest, das Tochterboot BIENE rettet ihn. Die stundenlange Suche nach dem zweiten Mann der „Mathias“ bleibt erfolglos.
  6. Oktober 1997: Tonnenweise bricht Seewasser durch ein Leck in den Fischkutter „Mareike“. Die HERMANN HELMS trifft im sprichwörtlich letzten Augenblick bei den beiden Fischern acht Seemeilen (14 Kilometer) vor Cuxhaven ein. Ihre zwei großen Lenzpumpen halten den Havaristen schwimmfähig.

Juni 1999: Die HERMANN HELMS nimmt an der International Lifeboat Conference im britischen Poole anlässlich des 175-jährigen Bestehens der Royal National Lifeboat Institution teil. Sie gehört auch im internationalen Vergleich zu den leistungsfähigsten Rettungseinheiten.

  1. Mai 2000: Ein Fischkutter hat so starken Wassereinbruch erlitten, dass Aufbauten und Rumpf innerhalb kürzester Zeit unter Wasser liegen. Den Fischern gelingt es noch, über Funk einen Notruf abzusetzen, bevor sie sich nur noch am nassen und kalten Steven ihres Kutters festhalten und auf Rettung warten können. Nur noch die Bugspitze ragt aus dem Wasser, als die HERMANN HELMS die beiden Fischer von ihrem sinkenden Kutter rettet.
  2. Januar 2003: Drei Seemeilen (ca. fünf Kilometer) nördlich der Kugelbake treibt ein Fuchs auf einer Eisscholle. Immer wieder fällt der „tierische Havarist“ in die ein Grad kalte Nordsee. Mit einem langen Kescher ziehen die Seenotretter Meister Reineke längsseits des Tochterbootes BIENE und verstauen ihn an Bord in einem Karton. Ein Tierarzt päppelt ihn auf.
  3. Mai 2003: In der Cuxhavener Hafeneinfahrt droht das dänische Küstenmotorschiff „Lindholm“ mit starkem Wassereinbruch und zehn Menschen an Bord zu sinken. Rund 13 Stunden dauert der dramatische Einsatz der HERMANN HEMS. Ihre leistungsfähigen Lenzpumpen kommen kaum gegen die schwere Leckage an. Schließlich gelingt es den Seenotrettern, das manövrierunfähig treibende Schiff an die Pier zu drücken und den Untergang zu verhindern.
  4. Mai 2005: Der Fischkutter „Carina“ läuft auf den Großen Vogelsand auf. Im sprichwörtlich letzten Moment rettet die Besatzung der HERMANN HELMS die beiden Fischer von Bord. Durch ein Loch im Rumpf dringt Wasser ein, der Kutter geht „auf Tiefe“.
  5. November 2006: Auf der Bohrinsel Mittelplate neun Seemeilen (etwa 16 Kilometer) nördlich von Cuxhaven wird ein Arbeiter bei einem Sturz zwischen Anlegeponton und Versorgungsschiff schwer verletzt. Die HERMANN HELMS bringt einen freiwilligen Seenotarzt zur Mittelplate. Die Seenotretter übernehmen die Erstversorgung, bis ein Hubschrauber eintrifft und den Verletzten ins Stadtkrankenhaus Cuxhaven fliegt.
  6. November 2006: Bei einem der schwersten Schiffsunglücke der vergangenen Jahre in der Nordsee sinkt der Fischkutter „Hohe Weg“ 16 Seemeilen (ca. 30. Kilometer) südlich von Helgoland nahe der Untiefe „Nordergründe“. Die vierköpfige Besatzung kommt bei stürmischem Westwind mit acht Beaufort (über 70 km/h) und starkem Seegang ums Leben. Fünf Seenotrettungskreuzer suchen den Kutter. Die HERMANN HELMS findet seine automatische Seenotfunkboje. Im Laufe der Nacht kommen zahlreiche Fischkisten, Ausrüstungsteile und eine aufgeblasene, unbemannte Rettungsinsel hinzu. Tage später ortet ein Wracksuchschiff die gesunkene „Hohe Weg“.
  7. Dezember 2011: Auf dem ägyptischen Frachter „Abu Rdees“ bricht auf der Außenelbe Feuer aus. Mit Feuerwehrleuten an Bord nimmt die HERMANN HELMS Kurs auf den in Ballast (leer) fahrenden Frachter. Der 37-köpfigen Besatzung gelingt es mit Bordmitteln, den Brand unter Kontrolle zu bringen. Fünf Seeleute werden mit Verdacht auf Rauchgasinhalation behandelt.

Über die Seenotretter
Die DGzRS ist zuständig für den maritimen Such- und Rettungsdienst in den deutschen Gebieten von Nord- und Ostsee. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben hält sie rund 60 Seenotrettungskreuzer und -boote auf 54 Stationen zwischen Borkum im Westen und Usedom im Osten einsatzbereit – rund um die Uhr, bei jedem Wetter. Jahr für Jahr fahren die Seenotretter mehr als 2.000 Einsätze, koordiniert von der SEENOTLEITUNG BREMEN der DGzRS (MRCC = Maritime Rescue Co-ordination Centre). Die gesamte unabhängige und eigenverantwortliche Arbeit der Seenotretter wird ausschließlich durch freiwillige Zuwendungen finanziert, ohne Steuergelder. Seit Gründung der DGzRS 1865 haben ihre Besatzungen mehr als 84.000 Menschen aus Seenot gerettet oder drohenden Gefahren befreit. Schirmherr der Seenotretter ist der Bundespräsident.

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