Rede zum Volkstrauertag 2024

Nachfolgend die Rede zum Volkstrauertag 2024 vom Ortsvorsteher Simon Lübben

Simon Lübben
Foto: G. Ziemann

Liebe Carolinensieler,
im Laufe der Jahre wurde festgelegt, dass dieser Gedenktag zwei Wochen vor dem ersten Adventwochenende gehalten werden soll.
Deshalb finden wir uns auch in diesem Jahr hier wieder am Carolinensieler Ehrenmal ein, um an diesem stillen Tag den Kriegsopfern der Vergangenheit zu gedenken. Aber nicht nur den Opfern der vergangenen Kriege mit seinen gefallenen Soldaten und allen Kriegstoten wollen wir heute gedenken, sondern auch den Toten der aktuellen Konfliktherde in der Welt.

Am heutigen Volkstrauertag wird überall in Deutschland an die Opfer von Krieg und Gewalt erinnert und gleichzeitig zu Versöhnung, Verständigung und Frieden gemahnt.

Zugleich gedenken wir aber auch wieder, und in diesem Jahr ganz besonders, der Toten des Angriffskrieges gegen die Ukraine.

Dieser Volkstrauertag steht in seinem Gedenken an die Millionen Toten durch Krieg und Gewalt unter dem Motto:

„Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg“

Ein Nachdenken über die Vergangenheit, die Schrecken des Krieges und den Wert des Friedens. Wir lesen auf den hinter mir stehenden Betonstelen die Namen derjenigen, die als Soldaten in den vergangenen Kriegen für Ihre Heimat und unseren Ort Carolinensiel gefallen sind. Mit den Namen können die meisten von uns keine Person mehr verbinden.
Es waren junge Soldaten, die fern der Heimat und fern von ihren Familien kämpften und starben. Es waren Menschen zum Teil Familienmitglieder die man nicht kennenlernen konnte, um die getrauert wurde und zum Teil noch immer getrauert wird.

Aber was ist ein guter Friede und wie können aus Feinden Freunde werden?

Werfen wir dazu einen Blick auf die deutsche Nachkriegsgeschichte, insbesondere die deutsch-französischen Beziehungen.

Der Élysée-Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich,  gilt als Grundbaustein für die deutsch-französische Versöhnung.

– Wie gelang es, dass aus ehemaligen Kriegsgegnern Freunde wurden?

Volkstrauertag 2024

– Wie gestalteten beide Länder diesen Weg?

– Was waren – und vor allem – was sind die grundlegenden Elemente dieser Friedensarbeit?

– Können unsere beiden Nationen mit den Antworten auf diese Fragen als Vorbild genommen werden, wie aus zwei Erzrivalen Verbündete – gar Freunde – wurden?

– Vielleicht einen Schimmer Hoffnung geben für alle Kriegs-Betroffenen?

In vielen Teilen der Welt herrscht Terror, Gewalt und Unterdrückung.

Einen erneuten Krieg in Europa haben viele von uns bis vor zweieinhalb Jahren für unwahrscheinlich gehalten – auch wenn es mit dem Jugoslawien-Krieg 1991/92 bereits schon einmal einen Rückfall in längst vergangen geglaubte Zeiten gab.

Ja, wir haben uns „sicher“ gefühlt. Aber seit dem russischen Angriffskrieg ist dieses Gefühl zumindest dem der Unsicherheit gewichen.

Momentan kann man den Eindruck gewinnen, dass eine Krise die nächste jagt:

Am 07. Oktober 2023 der barbarische Angriff der Hamas auf Israel.

Foto: G. Ziemann

Wie geht Europa mit der Situation um, wie gehen wir Deutschen angesichts unserer eigenen Historie damit um?

Dazu möchte ich Ihnen ein Zitat eines spanischen Philosophen mitgeben, der gesagt hat

„Wer sich nicht an die Geschichte erinnert, ist verurteilt, sie erneut zu durchleben.“

Haben wir Deutschen aus unserer Geschichte gelernt?

Wenn ich mir aktuelle Bilder oder Berichte in den Medien anschaue zweifle ich daran.

Warum?

– Weil sich Antisemitismus wieder auf unseren Straßen ausbreitet.

– Weil jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger Angst haben, eine Kippa oder den Davidsstern zu tragen.

– Weil wieder Synagogen bewacht werden müssen.

– Weil es Angriffe, Beschimpfungen und Beleidigungen gibt – und dies nicht nur von arabisch stämmigen Menschen, die in Deutschland wohnen, sondern auch von deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern und

– weil es Demonstrationen auf unseren Straßen gibt mit diskriminierenden Äußerungen, die nichts – aber auch gar nichts – mit freier Meinungsäußerung zu tun haben.

Die aktuelle Lage macht mir durchaus Angst.

Posaunenchor Berdum
Foto: G. Ziemann

Die Brutalität, mit der die Hamas diesen Krieg begonnen hat, die Verschleppung von Menschen und der Fanatismus, mit der dieser Angriff begonnen hat – machen Angst.

Die Vergeltung von Seiten Israels, das Vordringen in Krankenhäuser zum Zerstören kritischer Infrastruktur – auch das macht Angst.

Nach dem Völkerrecht hat Israel jedes Recht auf Verteidigung seines Staatsgebietes, aber die gesamte Weltgemeinschaft ist sich genauso einig, dass es auch eine humanitäre Verpflichtung  gegenüber der Zivilbevölkerung gibt.

Gerechter Krieg? – Guter Friede? – oder umgekehrt?

Nahezu alle Politiker weltweit versuchen, die Lage nicht eskalieren zu lassen.

Meine lieben Carolinensieler,

schaut man sich die aktuellen Entwicklungen in der Welt, in Europa und in unserem Land an, dann brauchen wir gerade jetzt eine Erinnerungsoffensive, eine Sensibilisierung der gesamten Gesellschaft. Aus dem Erlebten und Erlittenen, aus dem Versäumten – und gerade auch wegen der Irrwege – ermutigt uns unsere Geschichte auch zur konstruktiven, friedensfördernden Einmischung.

„Nie wieder ist jetzt hier und heute“

Ich glaube, prägnanter kann man dies nicht ausdrücken.

Deshalb ist und bleibt der Volkstrauertag von großer Bedeutung, weil er uns zeigt, was passiert

– wenn wir nicht für unsere Werte, unsere Demokratie und ein friedliches Miteinander mit unseren Nachbarn einstehen,

– wenn wir nicht aktiv werden für den Schutz der unantastbaren Würde eines jeden Menschen, unabhängig von seiner Herkunft, Religion oder Hautfarbe.

Wir alle können dafür sorgen, dass die Feinde unserer Demokratie diese Werte nicht außer Kraft setzen. Die Demokratie ist auf wehrhafte Bürgerinnen und Bürger angewiesen, die die Werte unseres Grundgesetzes achten und schützen.

Dafür sollten wir jederzeit eintreten.

Lassen Sie uns mutig sein.

 

In unser aller Namen spreche ich nun das Totengedenken:

Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.

Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben
verloren.

Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.

Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.

Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.

Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt Opfer geworden sind.

Wir gedenken der Opfer von Terrorismus und Extremismus,  Antisemitismus und Rassismus in unserem Land.

Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten, und teilen ihren Schmerz.

Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den
Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.

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